AVG in der niederländischen Fachpresse: Die widerspenstige Praxis des nachhaltigen Rückbaus

De weerbarstige praktijk van duurzaam slopen. Circulair slopen. Artikel van Ysbrand Visser, Duurzaam Gebouwd.

AVG in der niederländischen Fachpresse: Die widerspenstige Praxis des nachhaltigen Rückbaus

Heijen 13 August 2019 – In dem niederländischen Fachmagazin „Duurzaam Gebouwd Magazine” sowie auf der Onlinepräsenz www.duurzaamgebouwd.nl hat der Journalist Ysbrand Visser im August 2019 einen Artikel über den Stand der Dinge im Bereich nachhaltiges Rückbauen geschrieben. Dafür interviewte er Patrick van Dinther von AVG Infra sowie Roel Hartenhof, Berater „Kosten und Verträge“ bei der Stadt Nijmegen und Tjeerd Hendriks, Berater von Behörden und Experte der Webplattform Sloopadviseurs.nl

Abbruch ist nicht wirklich ein sexy Thema und schon gar nicht immer nachhaltig. Wie beauftragt man zirkulären Rückbau und welche Margen sind noch möglich?

Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung gehört die Bauindustrie zu den ersten Branchen weltweit, die in großem Umfang Recycling betrieben haben – und zwar schon seit Jahrhunderten. Jetzt, da Recycling in den vergangenen Jahren erst so richtig in Schwung gekommen ist, zeigt sich die Realität jedoch widerspenstig. Auf der einen Seite sind nur 6 bis 7 Prozent allen Abfalls nicht recyclingfähig. Auf der anderen Seite stehen wir gerade am Anfang des wirklich nachhaltigen Rückbaus, wie die Beteiligten betonen.

Rückbau in Cuijk

 
^ Patrick van Dinther von AVG Infra

AVG Infra ist ein Straßenbauunternehmen, das auch Abbrucharbeiten anbietet. Die Firma aus dem niederländischen Heijen gewann jüngst eine Ausschreibung aus der nahegelegenen Gemeinde Cuijk – und Patrick van Dinther (Betriebsleiter AVG Infra) weiß genau, warum: „Wir mussten unter anderem einschätzen, wie viel freikommendes Material wiederverwertet werden kann. Und das im eigenen Kreislauf, also zirkulär, so dass der zerkleinerte Betonschutt wiederverwendet werden konnte, entweder als Kiesersatz im Beton oder als sekundärer Rohstoff, wobei der Schotter beispielsweise als Untergrund für neue Wege verwendet wird. Je mehr Material in denselben Kreislauf eingebracht wird, desto höher ist der fiktive Wert.” Schließlich brachte AVG von den 10.000 Tonnen Bauschutt nur etwa 200 Tonnen Abfall zwecks Entsorgung zur Deponie.

Dass AVG den Auftrag erhielt, liegt vor allem am Umgang mit Betonschutt. Van Dinther: „Betonabfall wird bei uns intern zerkleinert, gewaschen und als Sand- oder Kiesersatz neuem Beton beigemischt, der auch für Baubeton geeignet ist. Neuer Beton darf maximal 30 Prozent Recyclingmaterial enthalten, um die Anforderungen zu erfüllen. Wir können aber Gemische erstellen, die 80 Prozent recyceltes Material enthalten. Das ist zwar nicht KOMO-zertifiziert, aber sehr innovativ. Falls ein Auftraggeber einen innovativen Radweg anlegen möchte, der ausschließlich aus recyceltem Beton besteht, ist das möglich. Da gibt es nichts dran auszusetzen.”

Maschinen

Das sind Entwicklungen, die wie Musik in den Ohren von Roel Hartenhof klingen, Berater „Kosten und Verträge“ bei der Stadt Nijmegen. Er wurde 2018 teilweise in die Gemeinde Cuijk entsandt und arbeitete dort zusammen mit AVG und van Dinther. Hartenhof will den Markt nachdrücklich stimulieren und Kreislaufwirtschaft soweit wie möglich fördern. „Hinsichtlich der Art und Weise der Wiederverwertung strebe ich immer das höchste Niveau an – so dass beispielsweise Beton auf dem gleichen Niveau in den Kreislauf zurückkehren kann. Am zirkulär wirkungsvollsten ist Rückbau, wenn freikommendes Material für neue Komponenten und/oder Elemente wiederverwendet werden kann. Etwas niedriger liegt das Niveau, wenn das Material als Rohstoff in demselben Kreislauf verwendet wird. Darunter folgt die Verarbeitung mit einer Maschine zu einem sekundären Rohstoff in Zement, Füllmaterial, Sand und Kies.

Leider gibt es in den Niederlanden noch nicht einmal eine Handvoll entsprechender Maschinen, die das können. Deshalb ist es in dieser Region schwierig, zirkulären Rückbau zu betreiben. Die Nutzung von Beton als Untergrund von Wegen halte ich jedoch eher für einen Rückschritt. Schließlich wird dann auch Zement verwendet, wodurch CO2 ausgestoßen wird.”

Gesellschaftliches Kapital

 
^ Tjeerd Hendriks von Sloopadviseurs.nl

Auch Tjeerd Hendriks versucht, als Berater staatlicher Behörden, so viel Nachhaltigkeit wie möglich in Ausschreibungen zu integrieren. Dem Experten der Webplattform Sloopadviseurs.nl zufolge erfordert die verantwortungsvolle Vergabe von gesellschaftlichem Kapital solide Abwägungen. „Und dann fährt man nicht mit dem freikommenden Material ans andere Ende des Landes, weil es dort ein wenig nachhaltiger verarbeitet wird. Ich beurteile bei jedem Projekt anhand der „Ladder van Lansink“ (dabei handelt es sich um eine „Abfallhierarchie“ zur Bewertung von Prozessen), was spezifisch möglich ist, so dass das Ergebnis immer besser wird, je umweltfreundlicher das Material verarbeitet wird.”

„Ich glaube jedoch, dass wir erst am Anfang eines echten Durchbruchs von zirkulärem Rückbau stehen. Technisch ist bereits vieles möglich, doch das Öl ist immer noch zu billig – und somit auch neue Baustoffe. Die sind attraktiver als die Stoffe, die aus dem Rückbau geworden werden, und das bremst die Entwicklung aus.”

Teelöffel

Dennoch hat sich viel verändert, betont van Dinther: „Um auf der Baustelle so viel Material wie möglich zu trennen, gab es dort früher drei Container: für Schutt, Holz und Restabfall. Heute sind es zehn Container. Dabei geht es um Glas, Bedachungen, Isoliermaterial, Lichtmaterial, Kabel, verschiedene Metalle etc. Das kostet zwar alles mehr Zeit und Geld, aber die Kosten für die Entsorgung der restlichen Abfälle sinken auch. Zudem erfolgt heute immer mehr maschinell. Vor 15 Jahren konnten Greifer nur große Balken packen, heute aber greifen sie einen Teelöffel aus einer Tasse und deponieren ihn in einem anderen Container.”

„Wir haben es hinsichtlich des Schutts und der Trennung von gemauerten Überresten und Beton gut organisiert. Auch das Recycling von Glas funktioniert dank der kostenfreien Container von Vlakglas fantastisch. Das Gleiche gilt für die Lichtarmaturen und TL-Röhren, die Wecycle abholt. Dennoch gibt es auch Widerstände, vor allem vom „Betonkartell“. Die Unternehmen besitzen selbst Sand- und Kiesgruben und können sich naturgemäß mit der Wiederverwertung von Abfall in ihrem Beton nicht anfreunden. Auch die Wiederverwertung von Holz als FCS-Holz kommt nicht immer gut an.”

Praxistest

 
^ Roel Hartenhof von Gemeinde Nijmegen

Hartenhof weiß zur Genüge, dass die Betonindustrie nicht immer innovativ kooperieren möchte. Er versucht deshalb, den Markt herauszufordern und setzt diesbezüglich seine Hoffnung auf zwei Praxistests mit Maschinen, die den Beton für die Wiederverwertung in neuem Beton komplett trennen. Dies ist natürlich noch viel zu wenig, insbesondere da die zuständigen Behörden Aufträge zunehmend nach zirkulären Aspekten vergeben.

„Nachhaltigkeit im Rückbau betrifft zudem viel mehr Aspekte als nur Kreislaufwirtschaft”, ergänzt Hendriks. „Neben der Wiederverwertung geht es auch um den Transport zur Baustelle und den Abtransport sowie die Logistik auf der Baustelle selbst. Mit der Zahl der Einsatzstunden für die Abbruchkräne steigt auch der CO2-Ausstoß. Zudem geht es um die Belästigung der Anwohner, aber auch um eine bessere Materialtrennung an der Quelle. Auch nicht zu vergessen sind Aspekte wie: Werden schwer vermittelbare Beschäftigte berücksichtigt, investieren die Unternehmen genügend in Auszubildende und gehen sie verantwortungsvoll mit ihrem Personal um? Oder beauftragen sie osteuropäische Billigarbeiter, die über dubiose Kanäle eingeschleust werden und die körperlich schweren Tätigkeiten verrichten? Das ist meiner Ansicht nach auch ein Thema, wenn es um Nachhaltigkeit geht.”

Preisbildung

„Für die Preisbildung ist deshalb Transparenz besonders wichtig. Der Preis für einen Meter Malerarbeiten ist in etwa bekannt, doch für Abbrucharbeiten gilt das nicht in gleichem Maße. Das ist eine undurchsichtige Welt. Ich habe deshalb so viele Daten wie möglich über die Preise und die Faktoren zur Preisbildung in diesem Markt gesammelt. Auf dieser Grundlage kann man die richtigen Fragen stellen; an dieser Stelle geht es nämlich häufig schief”, so Hendriks.

Neben den genannten Nachhaltigkeitskriterien ist für ihn auch die Qualität der Zusammenarbeit ein bedeutender Aspekt. Mit dem Fokus auf dem Aufbau einer guten, am liebsten langfristigen Beziehung zum Auftragnehmer. Schließlich ist die Preisbildung essenziell und dabei geht es laut Hendriks um Folgendes: „Die Auftraggeber, für die ich arbeite, wollen nicht unbedingt den absoluten Tiefstpreis herausschlagen. Sie streben vor allem einen realistischen Preis an und sehen es vor allem nicht gerne, wenn bei ihnen auf dem Gelände ein Bauunternehmen Insolvenz anmelden muss. Dann wäre das Geld nicht sinnvoll ausgegeben. Es geht um die Suche nach der ausgewogenen Balance.”

Tempex

Mittlerweile ist AVG schon einige Schritte weiter als der durchschnittliche Wettbewerber. Van Dinther: „Wir versuchen, den Umgang mit Beton so grün wie möglich zu gestalten, und haben mittlerweile einen Fuhrpark – auch mit Betonmischern –, dessen Fahrzeuge größtenteils elektrisch betrieben werden. Zudem liefern wir das überschüssige Holz an die Öfen anderer Firmen wie Biomassekraftwerke und einer Sodafabrik.”

Zum Schluss noch eine Empfehlung, die van Dinther Bauunternehmern mitgeben möchte, wenn es um Kreislaufwirtschaft geht. „Ich sehe noch immer, dass oftmals Tempex-Verpackungsmaterial anstatt Stahl- oder Holzbehälter verwendet wird. Das ist alles andere als umweltfreundlich.” Von Recycling oder Zirkularität könne jedenfalls keine Rede mehr sein.

Text: Ysbrand Visser

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